Wasserstrahlschneiden
Die ersten technischen Nutzungsanwendungen der Wasserstrahltechnologie liegen mehr als 100 Jahre zurück. Um 1870 wurden erstmals Wasserstrahlen zur Gewinnung von Gold eingesetzt. In der darauf folgenden Zeit fand eine rasante Entwicklung dieser Technik statt. Die Anwendungen lagen dabei zunächst ausschließlich im Bereich des Bergbaues. Erst in der Mitte dieses Jahrhunderts wurden Wasserstrahlen verstärkt auch zum Reinigen und Abtragen eingesetzt. Die Entwicklung entsprechender Pumpen machte es möglich, den Wasserdruck soweit zu erhöhen, dass auch eine schneidende Bearbeitung nichtmetallischer Materialien erreicht werden konnte. Zu Beginn der 80er Jahre wurde dann mit der Zumischung von Feststoffpartikeln der vorerst letzte innovative Fortschritt in der Wasserstrahltechnologie erzielt, der es nunmehr ermöglicht, praktisch alle Materialien mit dem Wasserstrahl bzw. dem Wasserabrasivstrahl zu bearbeiten. Die Anwendung der Wasserstrahltechnologie bringt verschiedene verfahrensspezifische Vorteile mit sich:
- Der Bearbeitungsprozess ist „kalt“, es entsteht demzufolge keine thermisch bedingte Veränderung im geschnittenen Material.
- Durch die geringe Schnittspalte ist eine optimale Ausnutzung des zu schneidenden Materials möglich.
- Der Schnitt mit dem Wasserstrahl und Wasserabrasivstrahl kann im Material gestartet und gestoppt werden.
- Die Reaktionskräfte sind sehr gering, so dass eine einfache Handhabung gewährleistet ist.
- Sowohl zweidimensionale als auch räumliche Schnittführung ist möglich.
- Das Werkzeug „Wasserstrahl“ arbeitet richtungsunabhängig.
Wirkmechanismus
Grundsätzlich können zwei Verfahrensvarianten unterschieden werden! Das Schneiden mit dem reinen Wasserstrahl und das Wasserabrasivstrahlschneiden. Während beim Einsatz reiner Wasserstrahlen der statische Druck des kompakten Wasserstrahles bzw. die erosive Wirkung der Tropfen zum Materialabtrag genutzt wird, rufen bei der Anwendung von Wasserabrasivstrahlen, die in den Strahl eingebrachten Feststoffpartikel am Werkstoff eine Mikrozerspanung hervor – in diesem Fall dient der Wasserstrahl lediglich zur Beschleunigung der Feststoffpartikel. Grundsätzlich können beide Strahlarten sowohl zum Schneiden als auch zum Reinigen und Abtragen eingesetzt werden. Wird die Wasserstrahltechnologie zum Schneiden von Materialien eingesetzt, so lassen sich je nach Wahl der Parameter verschiedene Schnittkantenqualitäten erzielen. Es entstehen auf der Schnittfläche verschiedene Qualitätszonen, deren Ausdehnung von der Wahl der Schneidparameter abhängt.
Der Wasserstrahl
Im Gegensatz zur Anwendung in der Reinigungstechnik, wo es vor allem auf einen großflächigen und gleichmäßigen Abtrag ankommt, werden für das Schneiden mit Wasserstrahlen möglichst eng gebündelte Strahlen eingesetzt. Die Strahldurchmesser liegen im Bereich zwischen 0,1 und 0,4 mm. Um die erforderliche Energiedichte im Strahl zu erreichen, beträgt der strahlerzeugende Druck bis zu 400 MPa. Dies entspricht dem Druck am Boden einer 40 km hohen Wassersäule. Um diese Drücke zu erzeugen werden Hochdruckpumpen mit sogenannten Druckübersetzern eingesetzt. Der in einem Hydraulikaggregat erzeugte Öldruck wirkt auf die Kolbenfläche des doppelseitig wirkenden Druckverstärkers. Der Druck wird entsprechend dem Flächenverhältnis zwischen Niederdruckkolben und Hochdruckkolbenstange (ca. 1:20) erhöht. Die Volumenströme auf der Hochdruckseite liegen zwischen 0,5 und etwa 10 l/min.
Typische Schneidanwendungen von reinen Wasserstrahlen
- Portionieren von Lebensmitteln (Gefriergut, Backwaren, Schokolade, Speiseeis).
- Zuschnitt von Papierprodukten (Windeln, Wellpappe).
- Zuschnitt von Textilien (Leder, Möbelstoffe, Teppichböden).
- Vereinzelung bestückter Leiterplatten.
- Besäumen von Kunststofformteilen und Teppichformteilen in der Automobilindustrie.
- Schneiden von Prepregs und Laminatwerkstoffen in der Luft- und Raumfahrtindustrie.
- Zuschnitt von Dämm- und Isolierstoffen.
- Schneiden von Flachdichtungen und Sonderbauteilen.
Der Wasserabrasivstrahl
Die Energiedichte eines reinen Wasserstrahls reicht zur Bearbeitung vieler technischer Werkstoffe nicht aus. Für entsprechende Anwendungen werden dem Wasserstrahl daher Feststoffpartikel zugemischt. Damit wird es möglich, auch Werkstoffe, die mit reinem Wasserstrahl nicht geschnitten werden können, zu bearbeiten bzw. die Schnittleistung gegenüber der Anwendung des reinen Wasserstrahls wesentlich zu steigern.
Als sogenanntes Abrasivmittel kommen im wesentlichen scharfkantige, mineralische Stoffe, wie Granatsand und Olivin mit Korngrößen von etwa 0,1 bis 0,3 mm, zur Anwendung. Abhängig von der Schneidanwendung beträgt die erforderliche Abrasivmittelmenge 100 bis 500 g/min.
Wie beim Schneiden mit dem reinen Wasserstrahl, werden auch beim Wasserabrasivstrahlschneiden Drücke bis zu 400 MPa eingesetzt. Der Strahldurchmesser liegt zwischen 0,6 und 1,2 mm.
Anwendungsgebiete sind vor allem in der Bearbeitung schwer spanbarer Werkstoffe sowie in der Herstellung komplizierter Konturen zu sehen. Im einzelnen seien folgende Anwendungsbeispiele genannt:
- Bearbeitung von Edelstählen, insbesondere Nickelbasislegierungen.
- Schneiden von Glas, Panzerglas und Acrylglas.
- Ausschneiden von dekorativen Teilen aus Naturstein, wie Granit und Marmor.
- Bearbeitung von Materialien für die Luft- und Raumfahrt, wie dickwandige, faserverstärkte Kunststoffe und Titanlegierungen.
- Bearbeitung von Hochleistungskeramiken.
- Einsatz im Rahmen von Einzelteil- oder Kleinserienfertigungen in Lohnschneidebetrieben.
Insgesamt bietet die Wasserstrahltechnologie die Möglichkeit, eine Vielzahl von Materialien zu bearbeiten. Aufgrund der verfahrensspezifischen Vorteile ist damit für viele Aufgaben eine Alternative zu konventionellen Schneidverfahren gegeben.
Warum Wasserstrahlschneiden?
- Konturschnitt selbst kompliziertester Geometrien
- Nahezu alle Werkstoffe bis ca. 150 mm bearbeitbar
- Vielseitiges Trennverfahren ohne thermischen Einfluss
- Keine Randzonenaufhärtung
- Kein Teileverzug außer durch Materialeigenspannungen
- Hohe Schnittkantenqualität
- Geringer Werkzeugverschleiß
- Verschleiß vom Werkstoff unabhängig
- Optimale Ausnutzung des Rohmaterials
- Geringer Verschnitt
- Geringe Reaktionskräfte
- Selten Spannvorrichtung notwendig
- Geringe mechanische Belastung des Werkstücks
- Geringe Programmerstellungszeit
- Startloch mit dem Wasserstrahl selbst erzeugbar